Die Beschwerde: beschwerde_presserat_weltwoche (PDF)
Eine weitere Beschwerde wurde vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eingereicht. Der Presserat hat die Beschwerden zusammengelegt und eine Stellungnahme zu beiden verfasst.
Die Weltwoche vor dem Presserat vertreten hat Anwalt Martin Wagner (eine interessante Figur übrigens, er war an der Geschichte mit Christof Blocher und der Basler Zeitung beteiligt, siehe NZZ-Artikel). Er bestritt im Namen der Weltwoche alle Vorwürfe: Es handle sich zwar um ein intensives aber rein dokumentarisches Bild, das die Problematik verwahrloster und krimineller Kinder auf den Punkt bringen solle. Der Presserat schreibt zu Recht, die Weltwoche argumentiere hier widersprüchlich: In dieser Ambivalenz zwischen dokumentarischer und symbolischer Funktion des Bildes liege das berufsethische Problem, schreibt er in Erwägung 2c.
In seiner Stellungnahme schreibt der Anwalt der Weltwoche weiter, die Aussage des Titelbildes werde bereits durch den Lead des Artikels relativiert. Der Presserat hat hier jedoch die meiner Meinung nach einzig richtige Argumentation gewählt: Es ist durchaus anzunehmen, dass ein Teil der Leserschaft der Weltwoche nur das Titelbild sieht, ohne den Artikel zu lesen, deshalb ist das Titelblatt separat zu betrachten. Zudem richtete sich meine Beschwerde ausschliesslich, diejenigen des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma offensichtlich "zur Hauptsache" gegen das Titelblatt. Der Inhalt des Artikels ist deshalb für die Beschwerde irrelevant.
Was die diskriminierenden und herabwürdigenden Äusserungen angeht, verweist der Presserat auf eine Reihe von Stellungnahmen, in denen er die Praxis diesbezüglich gefestigt hat. So kommt er dann in Erwägung 3b zum Schluss: "Nach Auffassung des Presserats geht die 'Weltwoche' mit der Aufmachung der Titelseite - Kombination von Titelbild und Schlagzeile - eindeutig zu weit." Die Weltwoche dürfe zwar den durch die Polizei bestätigten hohen Anteil von Roma unter den bandenmässig organisierten Kriminaltouristen thematisieren, sie müsste jedoch darauf achten, dass sie die berechtigte Kritik nicht in ungerechtfertigter Weise auf alle Roma ausdehnt. Damit folgt der Presserat der Argumentation meiner Beschwerde: Auf einen Missstand aufmerksam zu machen muss erlaubt sein, die Medienfreiheit geht jedoch nicht so weit, als dass es erlaubt wäre, eine ganze Gruppe pauschal zu beschuldigen oder zu verurteilen.
Auch wenn, zumindest nach Auffassung der Staatsanwaltschaften in Zürich und in Wien, das Weltwochecover strafrechtlich nicht relevant ist, so ist es doch zumindest medienethisch "eindeutig" problematisch. Ich erwarte nicht, dass sich die Weltwoche deswegen gross ändern wird, aber immerhin ist damit von einer kompetenten und unebhängigen Stelle festgehalten, dass es so nicht geht. Die Medien werden die Stellungnahme des Presserats am 30. Oktober erhalten, es ist zu hoffen, dass das eine oder andere Medium darüber berichtet.
Die Stellungnahme ist ab 30. Oktober 2012 auf www.presserat.ch verfügbar.
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