2022-10-06 21:43

Das EPD nochmal von Vorne - Xsana und die Post machen Ärger

Das EPD des grössten Betreibers Xsana wird komplett neu aufgegleist - als Dossierinhaber soll ich meine Daten herunterladen, manuell ins neue Dossier hochladen und neu beschriften und kategorisieren - was für eine Zumutung.

Xsana ist gemäss der Webseite patientendossier.ch der grösste Anbieter des elektronischen Patientendossiers EPD in der Schweiz. Im August 2022 wurde kommuniziert, dass die Post eine Mehrheitsbeteiligung an Xsana übernehmen wird - mit Folge für alle, die ein EPD von Xsana besitzen: Der Technologiepartner wechselt von Swisscom Health zu Post Digital Health. Xsana verkauft das als Vorteil für die Kunden:

Xsana Information zum Wechsel des Technikproviders

Ich war bisher davon ausgegangen, dass es genau der Zweck des EPD ist, Gesundheitsfachpersonen aus der ganzen Schweiz Zugriff auf meine Daten erteilen zu können. Offensichtlich sah man das bei Xsana bisher anders - kein Wunder, war die bisherige Plattform aus Patientensicht nicht mehr als eine benutzerunfreundliche Dateiablage mit etwas mehr Datenschutz.

In der Kommunikation von Xsana eher weiter hinten zu finden ist der Hinweis, dass man als Inhaber eine EPD die Daten selbst von der alten in die neue Version des Dossiers übertragen muss:

Xsana Information zum Wechsel des Technikproviders

Im Klartext heisst das: Ich muss sämtliche Dokumente, die ich mühsam ins EPD hochgeladen, beschrieben und kategorisiert habe von dort wieder herunterladen. Das muss ich bis am 9. Oktober erledigt haben. Ein paar Tage später kann ich mich dann ins neue EPD einloggen und kann die Dokumente wieder hochladen - und wiederum neu kategorisieren und beschreiben. Eine Menge Aufwand - die ich auch nicht in einmal erledigen kann, ich muss schliesslich vor dem 9. Oktober herunterladen und kriege das neue Dossier irgendwann zwischen 10. und 14. Oktober.

Ich weiss nicht, was sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben, als die Migration auf die neue Infrastruktur geplant wurde. Ich habe lediglich testweise 2 Covid-Laborberichte und ein Arztrezept hochgeladen - in meinem Fall ist die Migration deshalb ärgerlich, aber machbar. Angenommen, jemand mit langer Krankengeschichte hat seriös all seine Dokumente hinterlegt - kaum jemand wird die Motivation haben, das ein zweites Mal zu tun.

Xsana argumentiert damit, nur der Patient habe Zugriff auf seine Dokumente, daher könne nur er sie auf die neue Plattform übertragen. Auch wenn das so ist: Aus technischer Sicht wäre es kein Problem gewesen, den Aufwand für die Patienten vertretbar zu machen. Beispielsweise hätte in der alten Version eine Exportfunktion erstellt werden können, welche die Dateien in ein Archiv packt und die Metadaten (Dokumententyp, Titel, Beschreibung etc.) dazulegt. In der neuen Version hätte man dann das Archiv hochgeladen, die Software entpackt es, liest die Metadaten und speichert die Dokumente inklusive der Metadaten wieder ab. Eine andere - etwas komplexere - Lösung wäre ein Migrationsprozess gewesen, durch den der Dossierinhaber durchgeführt wird und in dem er sich bei alter und neuer Plattform authentifiziert und so die Datenübertragung startet. Beides wäre technisch absolut machbar, man müsste nur wollen - und zahlen.

Unverständlich ist für mich ebenfalls, weshalb die alte Plattform komplett abgeschaltet wird, bevor die neue verfügbar ist. Die alte Plattform "eingefroren", also nur lesbar noch eine Zeit lang anzubieten, um den Datenzugriff noch zu ermöglichen, wäre angebracht. Die neue Plattform scheint bereits aufgeschaltet zu sein - einloggen kann ich mich jedoch erwartungsgemäss nicht:

Login ins neue Dossier geht erst einige Tage nach Abschaltung des alten

Ich kann mir verschiedene Gründe vorstellen, wie es zu diesem missglückten Migrationsprozess gekommen sein könnte:

  • Es wurde schlicht dilettantisch gearbeitet, schlecht geplant, der Migrationsprozess nicht richtig durchdacht.
  • Die Post wollte das EPD sofort auf der eigenen Infrastruktur haben. Womöglich hätte man bei der Swisscom den Vertrag um ein Jahr verlängern müssen, was man unbedingt verhindern wollte. Somit stand für eine vernünftige Migration nicht genügend Zeit zur Verfügung.
  • Die Migration durfte nichts kosten - den Medien war auch schon zu entnehmen, dass Xsana finanziell nicht sehr gut dasteht
  • Xsana hat nur sehr wenige EPD, davon hat kaum jemand mehr als zwei bis drei Dokumente hinterlegt - man sah daher den Aufwand für die Patienten als vertretbar an.

Egal welche der obenstehenden Gründe zutreffen - es spricht nicht besonders für den EPD-Betreiber Xsana und die Post als neue Mehrheitsinhaberin. Und für das Projekt EPD allgemein ist es einmal mehr eine Hürde: Sicher wird ein guter Teil der bisher genutzten Xsana EPD künftig leer bleiben - denn wer will schon den gleichen Aufwand mehrmals betreiben und alle Daten neu hochladen, kategorisieren und beschreiben.

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